Dienstag, 27. Dezember 2011

Die Auswahl

Keine Ahnung, wie die Entscheidung in die Welt kam. Scheidungskind - aber mein Vater war dagegen. Er war gegen alles, was meine Mutter entschied. In der armen Eifel wimmelte es von Internaten. Es gibt immer noch Rapunzel, die auf ihre Kreuzritter in der 18. Generation warten.
Es gab 2 zur Auswahl: Das Konvikt Prüm und Albertinum in Gerolstein, klar alles katholisch. Ich hatte sowieso nichts zu melden. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich in überhaupt kein Internat gekommen und in Berlin wäre ich auch nicht. Ich war 1979 gar nicht heiß auf Berlin. Meine Freunde sahen mich fast alle an der Nadel. VHS: Nähkurs - Singer in alter Tradition. Armin, zieh mir mal den Faden durch das Nadelöhr. Oh Oma, piekt das.

Lafontaine war übrigens in Prüm, ich weiß nicht bis wann und habe 0 Lust das zu recherchieren.

Meine Mutter entschied dagegen, weil Gerolstein Individualität zuließ. Meine Mutter hatte immer sehr viel Wert auf Design gelegt. Alt-deutsch war ein ästhetisches Todesurteil bei uns. Weiße Bettwäsche überall; der Dreck wurde unter den nicht vorhandenen Teppich gekehrt; man mußte sich den erträumen zum Wegfliegen.
In Gerolstein durfte jedes Kind - ja wir waren noch Kinder oder? - seine individuelle Bettwäsche haben. Außerdem war das Maximum 4-Bett-Zimmer, in der Regel 3. In Prüm waren es echte Schlafsäle: 20? Danke, wenn Du dort unter das Hesse "Unterm Rad" gerätst. "Unterm Rad" habe ich zentral gegenwärtig gemeint 2002 gelesen, anstatt meinen Programmierauftrag zu erfüllen, der mir auch prompt entzogen wurde. A mythical man month. Später unbewußter Protest.


Noch heute denke ich an das Internat, wenn ich in frischer Bettwäsche im Bett liege bzw. entsteht dann eine ganz seltsame Stimmung in mir. Alles gegen das schlechte Elterngewissen liegt auf dem Nachttisch: Mandarinen, Süßes, Saft. Die Atmosphäre hatte etwas von Krankenhaus. Es war bestimmt die Ausstattung aus dem nahe gelegenen Krankenhaus. Die Betten mußten wir immer selbst beziehen, das beherrsche ich perfekt. Ein reines Jungeninternat mit Besuch des öffentlichen Gymnasiums. 3-4 Internatler pro Klasse.
Schaden? Bestimmt. Und draußen? Bestimmt auch, ganz bestimmt. Überall. Kein Entrinnen. Rinnsäle, 3 Mann im Kindesalter.

2 Kommentare:

  1. Nun - ich bin beinahe sicher, dass meine Mutter eine Mitschuld an der Auswahl hatte. Bei uns war das damals so gelaufen:
    Irgendjemand aus dem Bekanntenkreis hatte wohl mal einen eigenen Sproß dem Internat in Gerolstein untergebracht und war, wie auch immer, zu einem positiven Urteil gekommen. Dieses hatte meine liebe Frau Mama kurzerhand und ohne weitere Überprüfung übernommen und so stand die Entscheidung schnell fest. Alternativen (auch nachfliegende wie Prüm oder Trier) wurden erst gar nicht in Betracht gezogen. Und ich schätze unsere Mütter hatten sich damals ausgetauscht und es würde mich nicht wundern, wenn der feste Entschluss der meinen einen gewissen Einfluß auf Eure Entscheidung gehabt hätte.

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  2. interessant; mal sehen, ob meine Mutter da halbwegs noch was von weiß

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